Ein Text, der die Coronazeit aus der Zukunft betrachtet …
Langsam gehe ich den Lendkanal entlang. Heute ist der 24. März 2022. Ich genieße die frische Luft und auf einmal kommt mir eine Frau mit Mundschutz entgegen. Je länger ich die Mundmaske anstarre, desto mehr Erinnerungen aus dem Jahr 2020, die ich längst verdrängt hatte, bahnen sich ihren Weg zurück in mein Gehirn…
Es ist der 24. März 2020 und ich schaue die Nachrichten im Fernsehen an. Jetzt ist es offiziell: Ab Montag haben die Schüler in Österreich keinen Unterricht mehr. Mir wird etwas flau im Magen und die Ungewissheit der nahen Zukunft macht mich ganz verrückt. Ich verziehe mich erst einmal in mein Zimmer und schließe die Tür. Wie wird das nur alles werden? Ich habe nicht den blassten Schimmer, wann ich meine Freunde wiedersehen würde. Seufzend wähle ich die Nummer meiner besten Freundin. Ich muss das jetzt alles dringend mit jemandem besprechen.
Eine Woche später: Mittlerweile hat unser Online-Unterricht bereits angefangen. Es ist eine etwas seltsame Tätigkeit, vor einem Bildschirm zu sitzen und der Erwartung gerecht werden, sich dabei mathematische Formeln zu merken. Immer mehr Lehrer wollen solche Stunden mit uns abhalten. Den Rest der unzähligen Aufgaben bekommen wir per E-Mail zugeschickt. Ständig klingelt mein Handy und ich werde ermahnt, alles zeitgemäß abzugeben oder ein neuer Berg von Aufgaben flutet mein Postfach. Wenn ich nicht gerade über den Aufträgen brüte, verziehe ich mich mit einem Buch nach draußen. Es ist schon eine komische Zeit, in der wir alle leben. Die meisten Menschen verlassen ihr Zuhause nur mehr, wenn es unbedingt nötig ist.
Täglich hoffe ich darauf, dass endlich ein Ende dieser Krise in Sicht ist, jeden Tag hört man jedoch das Gleiche. Der Schwerpunkt jeder einzelnen Sendung ist die negative Entwicklung der Dinge, die sich rund um die Welt abspielen. Es ist unfassbar frustrierend nur zu Hause zu sitzen, weil jeder weiß, dass das Einzige was wir jetzt tun können, ist warten. Warten bis das Warten ein Ende hat. Jeder einzelne Tag gestaltet sich gleich: Online-Unterricht, Lesen, mit Freunden telefonieren, so gut es möglich ist, den eigenen Hobbys nachgehen und Arbeitsaufträge erledigen. Eine Sache jedoch, die mir diese Zeit erleichtert, sind die vielen Spieleabende mit der ganzen Familie. Sehr oft haben wir bis spät in die Nacht hinein gespielt und gelacht …
Als mir das große Blatt eines Ahornbaumes ins Gesicht segelt, kehre ich langsam in die Realität zurück. Verträumt blinzle ich gegen die glühende Abendsonne. Nach dem Ausflug in die Erinnerungen an das Jahr 2020, mit all der Ungewissheit und Einschränkung, bin ich unendlich froh, diesen Frühling ganz frei genießen zu können. Von ganzem Herzen wünsche ich mir, dass so etwas nicht mehr passiert. Ich bleibe noch einen Moment stehen und schaue mir all die glücklichen Leute um mich herum an, die, Hand in Hand, glücklich strahlend an mir vorbei gehen. Auf einmal spüre ich, wie mich jemand von hinten auf die Schulter tippt. Sobald ich bemerkt habe, wer es ist, umarmen wir uns, ohne dabei Gefahr zu laufen, Strafe zahlen zu müssen. Ein Glück, dass die Corona-Zeit in der Vergangenheit liegt, denke ich, dann gehen wir gemeinsam dem prächtigen Sonnenuntergang entgegen.